Telefunken Partner Universal 501

written by: Andreas Fickers — January 12, 2022

Per Knopfdruck nach Luxemburg

Radio Luxemburg als Sehnsuchtsort der Populärkultur

Fragt man Menschen aus aller Welt, was sie mit dem Namen „Luxemburg“ assoziieren, kommt spontan meist die Antwort „Radio Luxemburg“! Die symbolische Verschmelzung von Land, Stadt und Radiosender begann schon in den 1920er Jahren. Den Höhepunkt seiner internationalen Popularität erreichte der Radiosender wohl in den 1950er und 1960er Jahren, als er zusammen mit dem Konkurrenten „Europe n°1“ den öffentlich-rechtlichen und staatlichen Sendern in Europa das Leben schwer machte – sowohl diesseits wie jenseits des Eisernen Vorhangs. Anfang der 1970er Jahre, als Radio Luxemburg mit seinem deutschsprachigen Programm in der Bundesrepublik zur populärsten „Welle der Freude“ aufgestiegen war, brachten namhafte deutsche Hersteller Modelle mit eigener „Luxemburg-Taste“ heraus.

Die Telefunken-Werbung für den „Partner Universal 501“ brachte die Sache auf den Punkt: „Wer oft Radio Luxemburg hört, muss dieses Koffergerät einfach haben. Denn der partner unversal 501 hat als augenfälligstes Merkmal die grüne Luxemburg-Taste. Sie erspart ihnen das umständliche Suchen und Einstellen ihres Lieblingssenders. Nur ein kurzer Tastendruck – und Europas Musiksender Nr. 1 ist da. Quarzstabilisiert.“ Auf den ikonischen Sende- oder Stationsskalen, einer rundfunktechnischen Innovation aus den 1930er Jahren, taucht der Name „Luxembourg“ bzw. „Luxemburg“ schon in der Zwischenkriegszeit auf. Diese markierten einen wesentlichen Schritt im Domestizierungsprozess des Radios: den Übergang vom technischen Apparat, dessen Handhabung gewisse Fertigkeiten verlangte (wie etwa die Erdung, Abstimmung der Schwingkreise, Antennenausrichtung), zum Massenmedium und dekorativen Möbel. Das „Lesen“ der Senderskala kann als symbolische Aneignung entfernter und doch akustisch präsenter Orte interpretiert werden: sie diente dem Radiohörer im übertragenen Sinne als Fahrplan für die Ätherreise. Für Rundfunkhörer, die ja auch Geräteseher waren, war „Luxembourg“ ein Sehnsuchtsort auf der geistigen Landkarte, der – besonders seit den 1950er Jahren – mit Rock ‘n‘ Roll, Beat Musik, Jingles und den Stimmen bekannter Disk-Jockeys in Verbindung gebracht wurde. Diese im elektro-physikalischen wir im übertragenen Sinne transnationale Ausstrahlung von Luxemburg als Senderstandort nahm ihren Anfang in den 1920er Jahren. Nach dem Ersten Weltkrieg steckte das „Radiofieber“ weltweit Millionen von Amateuren an. In Luxemburg wurde 1920 ein erster Radioclub gegründet: die Société Luxembourgeoise des Amis de la TSF. Zwei ihrer 300 Mitglieder, die Brüder Francois und Marcel Anen, installierten 1924 einen eigenen 50 Watt Sender auf dem Speicher ihres Hauses in der rue Beaumont Nr. 28, mit dem sie auf einer Wellenlänge von 1200 Metern Militärkonzerte und Theaterstücke in den Äther schickten.

Innerhalb von wenigen Jahren gewann der Rundfunk dermaßen an Popularität, dass im europäischen „Äther“ bereits Mitte der 1920er Jahre regelrechtes Chaos herrschte und so wurde 1925 die “International Broadcasting Union“ (IBU) als zentrale Regulierungsbehörde des europäischen Rundfunkbetriebs gegründet. Die 1931 hauptsächlich mit belgischem und französischen Kapital gegründete „Compagnie Luxembourgeoise de Radiodiffusion“ (CLR), deren Hauptaktionär (die Société Luxembourgeoise d’Etudes Radiophoniques / SLER) zwei Jahre vorher vom luxemburgischen Staat die Konzession zur Errichtung einer nationalen Sendeanstalt erhalten hatte, beantragte bei der IBU eine exklusive Sendefrequenz, jedoch wurde diese trotz Intervention seitens des Postministeriums nicht zugewiesen, weil Interferenzen mit benachbarten Sendern zu erwarten seien. Tatsächlich stand die von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten dominierte IBU Anfang der 1930er Jahre rein kommerziellen Initiativen sehr kritisch gegenüber. Daraufhin entschied sich die CLR auch ohne Genehmigung der IBU am 15. März 1933 mit regulären Sendungen auf einer Frequenz ihrer Wahl (1191 Meter) zu starten. Die Programme in luxemburgischer, französischer, deutscher und ab Dezember auch in englischer Sprache wurden schnell ein internationaler Erfolg.

Der Erfolg gründete sich sowohl auf der technischen Leistungsfähigkeit des Senders als auch auf der innovativen Programmgestaltung. Voraussetzung für eine internationale Hörbarkeit des Senders war natürlich eine starke Sendeleistung – hierzu wurden 1932 drei Sendemasten mit einer Höhe von 180 Metern in Junglinster errichtet. Der mit einer Sendeleistung von 150 kW betriebene Langwellensender gehörte unmittelbar zu den stärksten Sendeanlagen in Europa. Die große Reichweite des Senders war Basis für den finanziellen Erfolg des Senders, da die Werbeinnahmen nach der potenziellen Erreichbarkeit von Hörern kalkuliert wurden. Zweite Zutat des schnellen Erfolges war die Programmphilosophie des Senders, die von Beginn an darauf abzielte, den Geschmack des Publikums zu bedienen. Schwerpunkt der sogenannten „leichten Unterhaltung“ bildete populäre Musik, die entweder in Form von Schallplatten oder live dargeboten wurde. Im Juli 1933 wurde ein eigenes Rundfunkorchester unter Leitung von Henri Pensis ins Leben gerufen, welches sich schnell international einen Namen machte und bis zur Einrichtung der Philharmonie im Jahre 1996 praktisch als Nationalorchester fungierte.

Standort des später als „Grand orchestre symphonique de RTL“ bezeichneten Ensembles war die Villa Louvigny, ein 1871 auf den Grundmauern des „Fort Louvigny“ errichtetes Gartenrestaurant samt Festsaal im Stadtpark. 1932 mietete die CLR die Villa an und baute sie zum Sendestudio von Radio Luxemburg aus. 1936 kaufte die CLR das Gebäude und machte es zum Firmensitz und Funkhaus von Radio Luxemburg. Nicht alle Sendungen des achtstündigen Programms des Senders konnten in der Villa Louvigny live produziert werden. So wurden große Teile des französischsprachigen Programms in einem Pariser Studio aufgezeichnet und dann per Zug nach Luxemburg gebracht. Ähnliches gilt für das englischsprachige Programm; vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden in London aufgezeichnete Programme zweimal die Woche mit einem Flugzeug nach Esch-sur-Alzette geflogen. Die Maschine trug den Namen „The Luxembourg Listener“!

Telefunken Universal Super mit gruener Radio Luxemburg Taste1
Der Telefunken „partner universal 501“ von 1975. Hier war die grüne Luxemburg-Taste auf die Kurzwellenfrequenz von 6090 kHz geeicht

Nach einer vierjährigen Unterbrechung des Sendebetriebs während des Zweiten Weltkriegs (die Sendeanlagen wurden allerdings von den Nazis genutzt) begann das „goldene Zeitalter“ von Radio Luxemburg mit ikonischen Unterhaltungsformaten wie dem „Radio Circus“, „Reine d’un jour“, Quizshows wie „Quitte ou Double“ oder der „Hit-Parade“. In Großbritannien wird „208“ zur legendären „station of the stars“. Für die Stadt Luxemburg hieß das, dass Fans aus der ganzen Welt die Villa Louvigny belagerten, wenn der Live-Auftritt eines Stars angesagt war. Trotz der Konkurrenz von „Europe n°1“ (ab 1955) und dem Aufkommen von Piratensendern in den 1960er Jahren prägten die „Fröhlichen Wellen“ von Radio Luxemburg eine ganze Generation von Hörerinnen und Hörern in West- wie Osteuropa.

Mit der Umbenennung der CLR in Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion (CLT) 1954 kündigte sich der Aufstieg des neuen Leitmediums Fernsehen an, und bereits ein Jahr später startete „Télé Luxembourg“ mit ersten Fernsehsendungen aus einem kleinen Studio auf dem Ginzeberg in Düdelingen. Zwei Jahre später wurde dann auch Fernsehen in der umgebauten Villy Louvigny gemacht. Mit der Liberalisierung des Rundfunkmarktes in den 1980er Jahren wurde RTL zu einem der führenden Anbieter kommerziellen Fernsehens in Europa – und die Konzernzentrale wurde 1991 auf den neu erschlossenen Kirchberg verlegt. Mit der Eröffnung des neuen „TV Centre“ wurde der Sendebetrieb in der Villa Louvigny nach fast sechzig Jahren eingestellt. Trotz der Verwandlung des Konzerns in eine komplexe Holding mit Standorten in vielen Ländern weckt der Name „Radio Luxembourg“ auch heute noch nostalgische Gefühle bei Millionen von Radiohörern und Hörerinnen in der ganzen Welt. Er ist ohne Zweifel zu einem transnationalen „lieu de mémoire“ geworden. Andreas Fickers

Literatur
Katja BERG, Grenzenlose Unterhaltung. Radio Luxemburg in der Bundesrepublik 1957-1980. Göttingen 2021.
David DOMINGUEZ-MULLER, Radio Luxembourg. Histoire d’un média privé d’envergure européenne. Paris 2007.
Fernand FEHLEN, Radio zwischen Kultur und Kommerz. Die Anfänge des Luxemburger Rundfunkwesens, in: forum 75-76 (1984), S. 18-24.
Andreas FICKERS, Design als ‚mediating interface‘. Zur Zeugen- und Zeichenhaftigkeit des Radioapparates, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 30/3 (2007), S. 199-213.
Andreas FICKERS, Visibly audible. The radio dial as mediating interface, in: Trevor PINCH / Karin BIJSTERVELD (Hrg.), The Oxford Handbook of Sound Studies, Oxford 2012, S. 411-439.
Andreas FICKERS / Pascal GRISET, Communicating Europe. Technologies, Information, Events, London 2019.
Anna JEHLE, Welle der Konsumgesellschaft. Radio Luxemburg in Frankreich 1945-1975, Göttingen 2018. Richard LEGAY, Commercial radio stations and their dispositif. Transnational and intermedial perspectives on Radio Luxembourg and Europe n°1 in the long 1960s., PhD Diss. University of Luxembourg 2020.
Denis MARÉCHAL, Radio Luxembourg 1933-1993. Un média au coeur de l’Europe, Nancy 1994.
Richard NICHOLS, Radio Luxembourg. The Station of the Stars. An Affectionate History of 50 Years of Broadcasting, London 1983.
RTL Group (Hg.), Always Close to the Audience. The History of RTL Group, Hamburg 2014.
Jannifer SPOHRER, Ruling the Airwaves. Radio Luxembourg and the Origins of European National Broadcasting (1929-1950), PhD Diss. Columbia University, New York 2008.
Loll k, Das Luxemburger Rundfunkorchester. Eine dokumentarische Studie, Luxemburg 1993.